Am Montagabend fanden sich im plüschigen Hinterzimmer des Café Museum Medienfrauen zu einem „Ask me Anything“ mit der selbstständigen Multimedia-Journalistin und Faktencheckerin Anastasia Lopez ein. Was sie beruflich macht, ist ziemlich nah dran am Ergebnis ihres ersten Berufsinteressenstest im Gymnasium, der ihr nahelegte Detektivin zu werden. Bereits mit 15 arbeitete die gebürtige Italienerin für den “SchülerStandard“, war danach bei „biber“ und „NEWS“ – mit 19 Jahren war sie bereits beim ORF angestellt. Dort betreute sie etwa den Social Media Kanal für Ö3 und die Morningshow. Bei der ZIB auf ORF1 moderierte und drehte sie Reportagen, tägliche Nachrichten und trimediale Beiträge bearbeitete sie aus dem Landesstudio in Linz.
Von diesen Erfahrungen profitiert sie bis heute und überlegt sich in der Selbständigkeit umfassend, welche Leistungen sie als Freie aufgrund ihrer Qualifikationen als Radio-, TV- und Digitaljournalistin anbieten kann: Neben journalistischen Beiträgen bietet sie Medien- und Auftrittstraining, Sprech- und Rhetorikworkshops, Führungskräftecoachings, Moderationen und Social-Media-Betreuung an. „Als Journalistin schreibe ich selber meine Geschichte“, sagt Anastasia. Ihre Haupteinnahmequellen sind Auslandsberichterstattungen, Veranstaltungsmoderationen sowie Lehrtätigkeiten als Journalistin der ersten Stunde in österreichischen Schulklassen im Rahmen des Factchecking-Programms „Lie Detectors“.
„Als Journalistin schreibe ich selber meine Geschichte“ Anastasia Lopez
Selbständig gemacht hat sie sich vor rund eineinhalb Jahren. Auf Empfehlung hat sie damals gleich einen Vertrag mit sich selber, ihrer neuen Chefin, aufgesetzt: Der Job begann erst mit einem Urlaub. Und der Pakt: Jedes Angebot wird nachverhandelt. Daran hält sie sich bis heute. Ihre Strategie: Am Telefon fragt sie zunächst nach dem Budget und lotet dann ihren Spielraum aus. Dabei denkt sie journalistische Tätigkeiten stets größer, versucht „immer mehr zu geben als das, wofür ich bezahlt werde“ und netzwerkt gerne und – wie es scheint – erfolgreich.

Die Regeln beim „Ask me Anything“: Alles darf gefragt werden, aber das Gesagte bleibt im Raum. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde der Gäste begann Martina Madner, selbst freie Journalistin und Vorsitzende im Frauennetzwerk Medien, das Gespräch mit Fragen nach Pre-Bunking Faktenchecks auf der Echtzeitplattform TikTok, möglicher Diskriminierung als queere Journalistin, die über schwierige Themen wie Klimawandel, Abtreibung, Gleichstellung und Fakes auf Social Media bzw. dissozialen Plattformen berichtet und how-to Auslandsberichterstattung. So hat Anastasia neben Italien, Deutschland, und England, auch aus Malta/Gozo Island, der Republik Moldau an der Grenze zur Ukraine, sowie aus dem Amazonas-Regenwald in Ecuador und den USA berichtet. Dabei hilft ihr Minimalismus und zunehmendes Organisationsgeschick.
Mit ihren Ideen und Geschichten ist es ihr schon mehrfach gelungen Scholarships einzuwerben (zum Beispiel der Europäischen Kommission und der Amerikanischen Botschaft) und Auszeichnungen abzuräumen: 2020 wurde Lopez mit dem Europäischen Journalismuspreis „Megalizzi – Niedzielski Award“ für ihre Recherchen im Bereich Bio-Terrorismus ausgezeichnet. Drei Jahre später erhielt sie den „Austrian-SDG-Award“ für ihre journalistische Pionierarbeit zur Förderung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Zudem wurde vom Bundeskanzleramt mit dem „Österreichischen Jugendpreis“ für ihre TikTok-Faktenchecks zur Aufklärung über Abtreibungs-Desinformation geehrt. 2024 Jahr gewann Lopez das „Premier Exchange Program“, das herausragende junge Führungskräfte auszeichnet: Dafür berichtete sie aus Washington D.C., New York, Chicago (Illinois) und Columbus (Ohio) über Desinformation im Wahlkampf und Themen der Demokratie während der US-Wahlen. Zuletzt wurde sie für die Mit-Gründung des TikTok Faktencheck-Kanals BAIT vergangenes Jahr mit dem „Wiener Preis für journalistische Innovation“ ausgezeichnet.
Ein paar Take-Home-Messages zu TikTok
- Es ist eine höchst politische Plattform von linker und rechter Seite: Viele Jugendliche würden nicht mehr googeln, sondern „Nachrichten“ direkt nur auf TikTok mitbekommen. Die Blasenbildung ist auf TikTok viel stärker, weil Followerschaft nicht wichtig ist und mit den plastischen Bewegtbild-Content werden sie dort großteils allein gelassen. Shadowbanning betrifft viele kontroverse Themen – und die EU- Regulierung hinke hinterher. Deshalb hat sie mit BAIT eine Faktencheck-Plattform speziell für diese Zielgruppe erdacht.
- Relevant zu erwähnen: Laut Studien bekommen bereits neue Accounts ohne Vorgeschichte in den ersten 30 Minuten Falschnachrichten angezeigt – auf TikTok sind sie also überall. Je emotionaler ein Video, desto mehr werde es auch ausgespielt. Dabei sind es nicht immer falsche Information die kursieren, sondern aus dem Zusammenhang gerissen werden.
- Künstliche Intelligenz spielt für ihre kreative Arbeit noch keine große Rolle – für den Beruf Journalistin hält sie es für wichtig den Kontext zu verstehen: „Daran müssen wir interessiert sein und bleiben, – dafür dürfen wir nicht abstumpfen. Die jungen Menschen sind gewöhnt daran, dass alles zu viel ist. Der Rückzug aus den klassischen Medien passiert immer weiter im großen Stil. Viele wissen nicht, wie Journalismus funktioniert – „das müssen wir immer wieder erklären.“
- Der Catch, um auf das eigene Video aufmerksam zu machen, will gut überlegt sein. Da fließe die meiste Arbeit hinein, so Lopez. Oft wählt sie dabei einen kurzen Teil vom Fake-Content und reagieren darauf direkt: emotional oder mit eigener starken Nachricht, sowie „sexy“ Fakten. Schüler:innen packt sie so: „Du wirst doch auch nicht gerne angelogen“ und „Die Leute glauben, Du checkst das nicht, aber Du kannst es checken“.
- Das Schwierigste sei, Leute zu finden, die begabt genug sind, etwas kurz und einfach herunterzubrechen. Ihre Prebunks sind unbeeinflusst vom Nachrichtengeschehen: Sie überlegt strategisch, welche Faktenchecks anlassbedingt wichtig werden könnten z.B. im Pride Month, rund um den Internationalen Frauenkampftag oder in der Waldbrandsaison. Sie setzt also Themen, nimmt sich die Zeit und bereitet Faktenchecks vor, bevor die Fakes richtig groß werden, statt hinterher zu hecheln.
Diese Woche ist sie bereits auf dem Weg nach Kolumbien – dort wird sie für Ö1 und andere Medien über Femizide und Gewalt gegen Frauen in Südamerika, über die Klimakrise und kulturelle Feste berichten. Wenn sie im Ausland ist, zoomt Anastasia aus Wien heraus und das „hilft mir zu sehen, dass es nicht nur ein paar Menschen, Medien und Themen gibt, mit denen man sich auseinandersetzen und vernetzen kann“.
Was für ein anregender Abend, wie in einem Salon der Jahrhundertwende nur eben nur mit Frauen, die sich im Kaffeehaus austauschen und vernetzen. Danke für die Bilder an Luiza Puiu!
