Der Verein zur Errichtung einer branchenspezifischen Vertrauens- und Kompetenzstelle gegen Belästigung und Gewalt in der Medienbranche (columna V), an dem sich das Frauennetzwerk Medien beteiligt, präsentierte am Mittwoch eine Jahresbilanz und fordert politische, finanzielle und rechtliche Absicherung.
Vor einem Jahr März 2023 forderte das Frauennetzwerk Medien gemeinsam mit dem Presseclub Concordia – auf Initiative unserer Netzwerkfrau Raphaela Scharf – mit Journalist:innen, Branchenvertreter:innen, NGOs und Jurist:innen eine Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und Gewalt im Medienbereich ein. Seither haben sich viele Interessiert und Betroffe an so einer branchenspezifischen Einrichtung bei jenem Verein gemeldet, der das Vorhaben seit einem Jahr vorantreibt. 223 Personen haben sich zudem an einer Umfrage beteiligt, die aktuelle Missstände in der Medienbranche dokumentiert. Am Mittwoch zog der Errichtungsverein für eine Vertrauens- und Kompetenzstelle gegen Belästigung und Gewalt in der Medienbranche (columna V) eine Jahresbilanz im Presseclub Concordia. Über den Stand der Dinge berichteten Angela Alexa, Katrin Grabner, Sophie Rendl und unsere Vorstandsfrau Astrid Kuffner: Missstände in der Medienbranche, bisher gesetzte Schritte und Ergebnisse aus einer anonymen Umfrage.
Um den nächsten Schritt tun zu können, fordern sie von den Verantwortlichen ein politisches Commitment über Wahlperioden hinweg, die gesetzliche Verankerung und eine abgesicherte Finanzierung. Im Vorfeld wurden auch Statements der Parlamentsparteien zur Gründung einer solchen Anlaufstelle angefordert. ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos betonten dabei allesamt, wie wichtig der Schutz von Journalist:innen bzw. die freie Ausübung des Berufs sei.
„Journalist:innen in Österreich, die über Fälle berichten sollen, sind selbst von Machtmissbrauch und sexueller Belästigung betroffen. Die Sicherung der Demokratie erfordert ein entschlossenes Eintreten für den Schutz ihrer Stimmen. Wir haben uns mit der geplanten Vertrauensstelle columna V zum Ziel gesetzt, betroffene Journalist:innen zu schützen und zu unterstützen, mit einer professionellen ersten Einordnung der Situation, mit juristischer und medienrechtlicher Beratung und Begleitung sowie psychologischer Unterstützung.“
Angela Alexa, stellvertretende Vorsitzende columna V, Journalistin und aktuell Video-Host bei moment.at
Die Umfrage
Ende Juni 2023 setzte der Verein eine anonyme Online-Umfrage auf, an der sich innerhalb kürzester Zeit 223 Personen beteiligten. Die Ergebnisse zeigen, dass es sich bei Machtmissbrauch und Gewalt jeglicher Art nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem in der Medienbranche handelt. Nur 30,5 Prozent gaben an, nie betroffen gewesen zu sein. Die Betroffenen berichten unter anderem von der Verweigerung von Aufträgen und/oder Beförderungen (53,9 Prozent), Rufschädigung und Diffamierung (42,6 Prozent). Mit 83,5 Prozent gab eine große Mehrheit der Teilnehmenden an, aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität diskriminiert worden zu sein. Machtmissbrauch und Gewalt gingen laut Umfrage zu einem großen Teil von Vorgesetzten (73,7 Prozent), aber auch Kolleg*innen (50,6 Prozent) und Interviewpartner*innen (26,3 Prozent) aus (siehe Grafik).
„Aus unserer Online-Umfrage geht hervor, dass rund 70 Prozent der 223 Teilnehmenden schon von Machtmissbrauch und/oder Gewalt im Arbeitskontext betroffen waren. Das zeigt klar, dass es sich hier um ein strukturelles Problem und nicht nur um Einzelfälle handelt.“
Katrin Grabner, Gesundheitsjournalistin & Autorin im Vorstand von columna V
Wie kann es weitergehen?
Die geplante niederschwellige Vertrauensstelle columna V soll in Zukunft österreichweit und unabhängig betroffene und berichtende Journalist:innen unterstützen. Sie soll die Medienbranche für die Grenzen des Sag- und Machbaren in der Arbeitswelt sensibilisieren und Betroffenen eine sichere Anlaufstelle bieten, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. columna V soll Betroffene dabei unterstützen, mit den Auswirkungen von Übergriffen umzugehen, die eigenen Rechte zu verstehen und angemessene Maßnahmen zu ergreifen bzw. weitere Schritte zu setzen: mit psychologischer Unterstützung, juristischer aber auch medienrechtlicher Beratung.
Wer die Einrichtung der Vertrauensstelle unterstützen möchte, findet alle Infos hier.
„Wir haben keine Zweifel, dass es Bedarf für diese Stelle gibt. Die Notwendigkeit war schon vor einem Jahr mit beiden Händen greifbar. Wir bleiben dran.“
Astrid Kuffner, freie Journalistin und als Vertreterin des Frauennetzwerk Medien im Vorstand von columna V
Die geplante Stelle, columna V – Vertrauens- und Kompetenzstelle gegen Belästigung und Gewalt in der Medienbranche, ist eine Reaktion auf öffentlich gewordene und gerichtsanhängige #MeToo Fälle in Medienunternehmen. Durch toxische Arbeitsverhältnisse gehen laufend wichtige Stimmen, gut ausgebildete Redakteur:innen und Vielfalt in Österreich Medienszene verloren. columna V steht für die 5. Säule der Demokratie, die wiederum Medien als 4. Säule (unter)stützt, damit diese ihre Aufgabe erfüllen können. columna V hat sich zum Ziel gesetzt, betroffene Journalist*innen zu unterstützen durch Begleitung, Awareness, dokumentierte Fakten, Standards sowie Prävention, um einen Kulturwandel zu schaffen. columna V will dazu mit bestehenden Strukturen, Organisationen und Medienhäusern kooperieren und sich in relevante gesetzliche Vorgaben, Qualitätssiegel und Förderungen einweben.
„In Österreich gibt es ein gut ausgebautes Gewaltschutznetz. Spezialisierte Anlaufstellen ergänzen diese Strukturen und erweitern vor allem im Bereich der Prävention mit branchenspezifischem Wissen.“
Sophie Rendl, Juristin, Gleichstellungs- und Gewaltschutzexpertin im Vorstand von columna V
Unser Dank gilt allen Mitgliedern des jungen Errichtungsvereins, den Unterstützer:innen ab der ersten Stunde (Presseclub Concordia, Österreichischer Presserat, Österreichischer Journalistinnenkongress, Österreichische Medienakademie und fjum- Forum Journalismus und Medien Wien)!
Wir bedanken uns für die Berichterstattung in den Medien, allen voran bei Bernadette Ritter vom ZiB-Team für den Beitrag am 14.3., bei DER STANDARD-Journalistin Doris Priesching für den Beitrag: „Machtmissbrauch in Medien: Rund 70 Prozent haben Erfahrungen“ und bei Lukas Wodicka von der APA, dessen Beitrag wir unter anderem auf Puls24, bei der Kleinen Zeitung, den Salzburger Nachrichten und den Vorarlberger Nachrichten gesehen haben.
Und ein riesiges Dankeschön natürlich auch den vielen, die ihre Erfahrungen, Know-how und Netzwerke mit uns geteilt haben!