„Macht – Struktur – Medien“: Frauennetzwerk Medien fordert Einrichtung einer Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch in der Medienbranche

Bei einem Pressegespräch gemeinsam mit dem Presseclub Concordia sprach sich das Frauennetzwerk Medien für eine niederschwellige Unterstützung für Betroffene von Machtmissbrauch, sexueller Belästigung und sexuellen Übergriffen in heimischen Medienunternehmen aus und forderte gemeinsam mit Betroffenen und Expert:innen die Schaffung von Safe Spaces. Mit den Erfahrungen und Best Practices der Expert:innen von Presseclub Concordia, Gleichbehandlungsanwaltschaft, Gewerkschaft der Privatangestellten, Verein ZARA Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit sowie der Vertrauensstelle vera* wird das Frauennetzwerk nun gemeinsam an der Konzeption einer solchen Vertrauensstelle weiterarbeiten und auch Möglichkeiten der Finanzierung prüfen.

Niederschwellige Betreuung, Bekanntheit, Unabhängigkeit, geschulte Berater:innen, Vertrauenspersonen außerhalb des Betriebes, Klagsrecht, juristische und psychosoziale Expertise: Das sind laut den Gesprächsteilnehmer:innen nur einige der Eigenschaften, die eine Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch spezifisch für Medien besitzen sollte.

Für Raphaela Scharf, Netzwerkfrau, Journalistin und selbst Betroffene von sexueller Belästigung, braucht es in erster Linie „eine Kultur, die Mut macht, nach vorn zu treten“.

„Ich wusste damals nicht, wohin ich mich wenden soll, wer mir in meiner Situation helfen kann. Ich fühlte mich allein gelassen und musste viel ohne Unterstützung durchstehen.“

Journalistin Raphaela Scharf im Pressegespräch

Daher spreche sie sich explizit für eine eigene branchenspezifische Vertrauensstelle aus, an die sich Betroffene – gerade in der sehr kleinen heimischen Medienbranche, in der jeder jeden kennt – auch anonym wenden können und die auch in der Lage ist, Prozessbegleitung zu leisten. Als Vorbild nannte Scharf die Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in der Kultur- und Medienbranche „THEMIS“ in Deutschland.

Mitinitiatorin des Pressegesprächs, Raphaela Scharf & Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (Credit: Presseclub Concordia/M. Zojer)

Institutionelle Unterstützung gegen Missbrauch ist unverzichtbar

Sehr ähnlich sieht das auch Walter Strobl, Leiter des Rechtsdiensts Journalismus im Presseclub Concordia. „Ich bin überzeugt davon, dass allein die Existenz einer solchen Vertrauensstelle die Betroffenen stärkt und potenzielle Täter abschreckt“, sagte Strobl. „Bisher wurde in Fällen sexueller Belästigung eher die individuelle Ebene beachtet, aber es gibt auch strukturelle Dimensionen: Mitarbeiterinnen müssen sich in den Unternehmen sicher fühlen können und wissen, dass dieses Thema auch vonseiten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ernst genommen wird.“ Die institutionelle Unterstützung von Mitarbeiter:innen in Redaktionen, aber auch in den kaufmännischen Bereichen von Medienunternehmen gegen Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und Gewalt sei unverzichtbar, denn nur wenn auch das Arbeitsumfeld passt, ist wirklich freie Berichterstattung möglich, so Walter Strobl. Der Rechtsdienst Journalismus unterstütze daher explizit die Einrichtung einer Vertrauensstelle Medien.

Patriarchale Strukturen erschweren die Suche nach Unterstützung

Als Vorbild dienen könnte neben dem bereits bestehenden Pendant in Deutschland auch die neu errichtete Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur & Sport vera*, deren Sprecherin Sophie Rendl ebenfalls am Podiumsgespräch teilnahm. Für sie ist der Schutz vor sexueller Gewalt, Belästigung und Diskriminierung eine Aufgabe, die alle betrifft. Die Verantwortung dürfe sich ihr zufolge nicht auf den Einzelfall beschränken, sondern es müssten die strukturellen Missstände und somit die begünstigenden Faktoren offengelegt und beseitigt werden. „Wir sind immer noch mit prekären Arbeitsverhältnissen, tradierten Verhaltensweisen und streng hierarchischen Verhältnissen in einer vergleichsweise kleinen Branche konfrontiert, was es für Betroffene sehr schwer macht, sich Hilfe zu suchen“, erläuterte Sophie Rendl. „Dabei sind gerade Journalistinnen in einer wichtigen Doppelrolle: Einerseits berichten sie über Fälle von Belästigung, andererseits sind sie selbst häufig auch persönlich betroffen.“ Daher wäre es aus ihrer Sicht spannend, wenn eine zukünftige Anlaufstelle neben Beratung, Begleitung und Dokumentation der Fälle auch Schulungen und Weiterbildungen anböte – vielen Betroffenen sei nicht bewusst, was es bedeute sich „an die Medien“ zu wenden. Darüber hinaus müsse diese Stelle laut Rendl unabhängig, außerbetrieblich sowie eingebettet in bereits bestehende Strukturen sein, um wirksam sein zu können.

(Credit: Presseclub Concordia/M. Zojer)

Die Bundesfrauensekretärin der Gewerkschaft GPA, Julia Ilger, betrachtet Machtmissbrauch als großes Thema, mit dem sich zahlreiche Betroffene an die Gewerkschaft und die Betriebsrät:innen wenden würden. Für sie spielen Vorbilder wie Raphaela Scharf eine wichtige Rolle: „Sie schaffen Bewusstsein dafür, dass es keine Grauzonen mehr in diesem Zusammenhang gibt. Daher schulen wir auch die Betriebsrät:innen konkret in diesem sensiblen Bereich und vertreten Betroffene auch in Rechtsfällen.“ Die GPA sieht eine unabhängige Anlaufstelle vor diesem Hintergrund als gute und wichtige Ergänzung zu bereits bestehenden, eher allgemeinen Angeboten.

Nachhaltige Finanzierung und klare Zuständigkeiten als Basis

Sandra Konstatzky von der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) verwies darauf, dass Österreich im Kampf gegen Belästigung am Arbeitsplatz eigentlich eine Vorreiterrolle einnimmt. „Wir haben bereits seit 1992 ein entsprechendes Gesetz, Lücken gibt es gerade in der Arbeitswelt kaum noch – im Gegensatz etwa zum Bereich der Freiwilligenarbeit“, meinte die Expertin. Was es jedoch in jedem Fall unbedingt brauche, seien zum einen das Klagsrecht der GAW selbst sowie entsprechend dotierte Klagsfonds, die Betroffene bei Gegenklagen finanziell unterstützen könnten.

Eine Allianz der Willigen (Credit: Presseclub Concordia/M. Zojer)

Auch Caroline Kerschbaumer, Geschäftsführerin des Vereins ZARA (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit) erachtet Machtmissbrauch als wichtiges Thema: „Allgemein scheint es, dass Angriffe auf Journalist:innen in den letzten Jahren zugenommen haben und auch massiver geworden sind. Im Sinne der Meinungs- bzw. Pressefreiheit ist es in einer Demokratie zentral, Journalist:innen vor derartigen Angriffen zu schützen“, so Kerschbaumer, deren Verein ZARA seit 2017 die Beratungsstelle gegen „Hass im Netz“ betreibt. Rechtliche Grundlagen seien zwar ausreichend vorhanden, allerdings mangle es nach wie vor an der praktischen Anwendung. „Daher ist eine niederschwellig zugängliche, kostenlose und auf Wunsch anonyme Rechtsberatung eine wichtige Basis, um Betroffene besser zu schützen bzw. zu unterstützen“, führte sie aus. Außerdem sei es bereits im Vorfeld der Errichtung einer neuen Stelle unerlässlich, klare Zuständigkeiten, Handlungsmöglichkeiten und entsprechende Kommunikation zu berücksichtigen. „Das ist neben der möglichst raschen Klärung einer nachhaltigen, dauerhaften Finanzierung noch relevanter als die Frage, wo eine solche Stelle angesiedelt sein muss“, betonte die ZARA-Geschäftsführerin aus eigener Erfahrung.

Julia Ilger (Bundesfrauensekretärin GPA), Caroline Kerschbaumer (GF Verein ZARA) & Sophie Rendl (Vertrauensstelle *vera Sprecherin für Kunst & Kultur) (Credit: Presseclub Concordia/M. Zojer)

Hier geht es zur Bildergalerie von leadersnet: https://www.leadersnet.at/foto-galerie/22462,pressegespraech-oesterreich-braucht-eine-vertrauensstelle-gegen.html

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert