Was haben Skirennläuferinnen, Opernsängerinnen, Konzertpianistinnen, Schaupielerinnen und TV-Nachrichten-Moderatorinnen in Österreich gemeinsam? Die Strukturen ihrer Branchen ähneln sich und Männer haben darin zumeist das Sagen. Die ausübenden Sportler*innen, Künstler*innen und Redakteur*innen arbeiten in einem kleinen Land mit überschaubarer Szene – oft genug prekär. Die Strukturen der Branche bestimmen, wie sie ausgebildet werden, sich vorbereiten können, trainieren, inszeniert werden, ihre Fähigkeiten entfalten können, welche Jobs sie bekommen, ob, wo und wie oft sie auftreten. Machtmissbrauch in der Arbeitswelt – von der Ungleichbehandlung, über Sexismus am Arbeitsplatz, Diskriminierung, sexuelle Belästigung bis zu Gewalt ist in Österreich nicht überwunden. Redaktionen sind keine Safe Spaces. Es braucht eine Vertrauensstelle, an die sich Betroffene von Machtmissbrauch in Redaktionen, aber auch allen anderen Bereichen in Medienunternehmen wenden können. Wir versammeln bei einem Pressegespräch Anfang März die nötige Expertise, um Kräfte zu bündeln und Eckpfeiler festzulegen.
Vertrauensstelle *vera seit Herbst 2022
Anfang September 2022 wurde die, 2021 durch einen Entschließungsantrag des Nationalrats initiierte, Vertrauensstelle *vera eingerichtet. *vera ist definiert als zentrale Anlaufstelle für Personen, die sich selbst als Betroffene von Machtmissbrauch in der Kunst- und Kulturbranche sowie im Sportbereich definieren. Betroffene erhalten dort psychologische und juristische Unterstützung sowie Beratung zu Handlungsmöglichkeiten. Getragen wird die Stelle von zwei unabhängigen Vereinen.
Gemeinsam mit dem Presseclub Concordia veranstaltet das Frauennetzwerk Medien am 10. März 2023 ein Pressegespräch, wo wir von den Erfahrungen anderer vergleichbarer Stellen lernen wollen. Wir fragen wie eine Vertrauensstelle eigens für Beschäftigte in Medienunternehmen aussehen könnte, wo sie angesiedelt und wie sie finanziert werden müsste.
Auf dem Podium:
Netzwerkfrau Raphaela Scharf, selbstständige Journalistin und Moderatorin, die mit hohem persönlichem Einsatz ihre „Causa Fellner“ durchfocht und seither eine Art inoffizielle Meldestelle für Betroffene ist.
Sandra Konstatzky, Juristin, seit Mai 2018 Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Bekämpfung von Diskriminierung und Förderung von Gleichstellung in der privaten Wirtschaft befasst.
Walter Strobl, leitet seit Oktober 2021 den Rechtdienst Journalismus im Presseclub Concordia, arbeitet seit über 20 Jahren an der Schnittstelle Medien und Recht.
Caroline Kerschbaumer, Geschäftsführerin bei ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, die seit Jahren Betroffene von Diskriminierung berät.
Die Juristin Sophie Rendl ist Expertin für Antidiskriminierung und Gewaltschutz. Ihre Schwerpunkte liegen in der Erstellung von Codes of Conducts, Safer Spaces & Antidiskriminierungsstrategien. Sie hat den Aufbau von vera* geleitet und ist heute die Sprecherin für die Bereiche Kunst und Kultur.
Julia Ilger ist als Bundesfrauensekretärin der Gewerkschaft GPA für Gleichstellungsagenden auf Branchenebene zuständig. Sie bringt Genderaspekte u.a. in die Kollektivvertragspolitik ein, berät und schult Betriebsrät:innen in Fragen betrieblicher Gleichstellung und Frauenförderung.
Zuletzt gab es in der Schweiz einen weiteren #MediaToo-Moment bei Tamedia. Erst 2020 hatten 78 Tamedia-Journalistinnen einen offenen Brief verfasst, in dem sie Sexismus im Unternehmen anprangerten und Veränderungen forderten. Nun hat die „Magazin“ Autorin Anuschka Roshani die Vorwürfe gegenüber ihrem Chef im Spiegel öffentlich gemacht. Wir können nur unterstreichen, was die Schweizer Kollegin dazu schreibt:
„Ein kurzes Strohfeuer mit öffentlichem Aufschrei bringt also herzlich wenig, wenn sich die Strukturen, die übergriffiges Verhalten begünstigen, nicht ändern. Und von ihnen sind wir alle Teil.“
Miriam Suter auf elleXX