Die Organisator*innen des Frauenvolksbegehrens brauchen am Dienstag, 12. März ab 11 Uhr unsere Unterstützung im Parlament.
„Die frauenpolitischen Rückschritte in diesem Land dürfen nicht unkommentiert stehen gelassen werden. Zum Glück gibt es Expert*innen, die ganz genau hinschauen – dieses Wissen zu sammeln ist enorm wichtig, um die Ernsthaftigkeit der Situation zu begreifen. Denn die Politik von Schwarz-Blau II hat reale Auswirkungen auf Lebensrealitäten von Frauen, Migrantinnen, Geflüchteten und allen, die nicht den stereotypen und normierten Geschlechterrollen entsprechen“, erklärt Frauennetzwerk-Medien-Vorständin Jelena Gučanin die Motivation zur Podiumsdiskussion „Mit Vollgas zurück? Frauenpolitik unter Schwarz-Blau II“. Die Veranstaltung fand vergangene Woche als Kooperation mit dem Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (Beigewum) im Presseclub Concordia statt. Die Diskutant*innen ̶ Journalistin Brigitte Theißl (an.schläge), Ökonomin Franziska Disslbacher (Beigewum) und Christian Berger, Sprecher des Frauenvolksbegehrens ̶ formulierten unter Gučanins Moderation konstruktive Kritik an der unzureichenden Frauenpolitik der ÖVP-FPÖ-Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Stoff dazu gab es reichlich.
„Es gibt keine wirklich einheitliche Linie im Parlament zum Frauenvolksbegehren ̶nur die Einigkeit darüber, die Forderungen nicht umsetzen zu wollen“, zog Berger, gefragt nach der Frauenpolitik der Regierung, Resümee. ÖVP-Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß hefte sich zwar vordergründig Themen wie den Abbau des Gender Pay Gap (Gehaltsdiskriminierung zwischen den Geschlechtern, Anm.) auf die Fahnen, konkrete Maßnahmen dazu ließe sie allerdings vermissen. „Stattdessen spricht sie sich im parlamentarischen Ausschuss zum Frauenvolksbegehren dazu aus, Frauen mögen doch mutiger in den Gehaltsverhandlungen auftreten.“
Franziska Disslbacher von Beigewum ergänzt: „Die Frauenpolitik von ÖVP und FPÖ verschwindet hinter der Familienpolitik, sowohl unter Schwarz-Blau I als auch unter Schwarz-Blau II.“ Weiterer Kritikpunkt: Der Familienbonus, der erst ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1700 Euro voll greift, benachteilige Familien mit geringen Einkommen und Alleinerziehende. Was nicht zur Debatte stehen dürfe, sei, dass Frauen überhaupt arbeiten gehen, weil der Verdienst gering und gleichzeitig Betreuungsdienstleister teuer seien. „Der Familienbonus wird uns mit dem Argument der Wahlfreiheit zwischen Erwerbsarbeit und unbezahlter Pflege- und Hausarbeit verkauft. Solange es jedoch keine flächendeckende Kinderbetreuung gibt, gibt es keine echte Wahl“, so Ökonomin Disslbacher. Gleichzeitig würden Projekte zur Erforschung darüber, wie viel der unbezahlten Hausarbeit bei Paaren von Frauen erledigt wird, einfach eingespart.
Doch nicht nur feministische Forschung fällt Einsparungen der Regierung zum Opfer. Auch andere Organisationen, die feministische Denkarbeit leisten, leiden darunter, dass ihnen etwa Förderungen gestrichen werden. Brigitte Theißl vom feministischen Magazin an.schläge berichtet: „Ich werte das als einen Anschlag auf die Frauenarbeit. Alleine im Vorjahr hat uns die Regierung eine Förderung in Höhe von 23.000 Euro komplett gestrichen. Um das zu kompensieren, musste unser Team viel unbezahlte Arbeit leisten.“ Schockiert sei sie über die Häme, wenn die Frauenministerin mit Aussagen wie „Lesekreise und getanzter Protest sind nicht förderwürdig“ Organisationen wie One Billion Rising, die wichtige Denkarbeit zur Gleichberechtigung beisteuerten, diskreditiere. „Es ist wichtig, dass wir das immer wieder skandalisieren. Die Versuchung, zu resignieren, ist manchmal groß. Doch das Geld für Förderungen gehört den Bürgerinnen und Bürgern, nicht FPÖ und ÖVP.“
Was von der Verschärfung der Strafen bei Gewaltdelikten gegen Frauen zu halten sei, wollte Jelena Gučanin von ihren Podiumsgästen wissen. „Viele der Versuche, Strafen bei Gewalt gegen Frauen zu erhöhen, sind rassistisch motiviert und nicht praxisorientiert. Das Problem ist nach wie vor, dass viele Taten nicht angezeigt werden oder dass Ermittlungen zu früh eingestellt werden“, fasste Christian Berger vom Frauenvolksbegehren die Probleme zusammen. In den zuständigen Behörden herrschten männerbündische Strukturen. Das führe dazu, dass weibliche Gewaltopfer abgeschreckt seien, Taten überhaupt erst anzuzeigen. Komme es doch zu einer Anzeige, stehe mangels umfangreicherer Ermittlungen meist Aussage gegen Aussage zwischen Opfer und Täter. Gleichzeitig gebe es Bestrebungen, den Strafakt nicht zu umfangreich werden zu lassen, da es Staatsanwaltschaften und Gerichten an den Ressourcen fehle, auf zu viele Details eines Falles einzugehen, beruft sich Berger auf die Erfahrung des Österreichischen Frauenringes. „Die Erhöhung des Strafmaßes ist reine Symptombekämpfung. Zielführend kann nur sein, die gesellschaftliche Tradition männlicher Gewalt abzubauen. Wir fordern eine bessere Ausbildung und Sensibilisierung der mit der Aufarbeitung von Gewalt gegen Frauen befassten Behördenmitarbeiter.“
Disslbacher empfiehlt, sich bei allen Maßnahmen der Regierung genau zu überlegen, welche Zielgruppen davon betroffen seien: „Wir dürfen uns nicht auf die Spaltung einlassen.“ Theißl appelliert daher, regierungskritischen Initiativen den Rücken zu stärken, die Lösungsalternativen aufzeigen: „Unterstützt feministische Vereine, die LGBT-Bewegung und kritische Medien finanziell oder mit eurem Arbeitseinsatz.“ – „Wir müssen gerade jetzt breite Allianzen bilden“, stimmt auch Berger zu.
Alle, die Zeit haben, um am Dienstag, 12. März zwischen 11 und 13 Uhr zum letzten Gleichbehandlungsausschuss zum Frauenvolksbegehren in den Nationalrat (Josefsplatz 1, 1010 Wien) zu kommen, bittet er um rege Teilnahme. „Setzen wir gemeinsam ein Zeichen.“
Am Bild (von links nach rechts): Franziska Disslbacher (Beigewum), Christian Berger (Frauenvolksbegehren), Jelena Gučanin (Frauennetzwerk Medien) und Brigitte Theißl (an.schläge). Foto: Eva Wackenreuther Text: Andrea Vyslozil